“Nicht heilende Wunden endlich heilen lassen – aber wie?”

“Nicht heilende Wunden endlich heilen lassen – aber wie?”

Gerhard Schröder, Gunnar Riepe

Eine Technologie, die die letzten Jahre weiter optimiert wurde, stellen die Autoren in diesem Artikel vor und berichten über die klinischen Erfahrungen. Der Autor Gerhard Schröder hat das System bereits vor einigen Jahren kennengelernt und sich zusammen mit Dr. Gunnar Riepe entschieden, die Erfahrungen zusammenzutragen. Gerhard Schröder hat Anwender und Patienten interviewt und wird darüber zusammengefasst berichten.

Einleitung

Das Kernproblem von chronischen Wunden ist immer das Gleiche: Wunden heilen über Jahre nicht. Doch die Ursachen der schlecht heilenden Wunden sind vielfältig und selten leicht erkennbar.

In vielen Fällen führt die Verbesserung der Durchblutung der Wunden zu einer deutlich besseren und somit schnelleren Wundheilung. Hierzu werden in der Praxis gefäßchirurgische Maßnahmen eingesetzt oder bei venös bedingten Durchblutungsstörungen die Kompressionstherapie. Aber auch Bewegungsförderung bis zum Lauftraining kann die Wundheilung bei einzelnen Patienten verbessern. Als besonders problematisch gelten in der Praxis vor allem diabetisch bedingte Wunden an den Füßen mit pAVK. Denn bei Ihnen ist durch die Nervenschädigung im Sinne der Neuropathie die notwendige Druckentlastung der Wunde selten gegeben. Häufig ist bei diesen Patienten auch die Adhärenz sehr gering: Die Patienten spüren keine Schmerzen, also „wird es schon nicht so schlimm sein“, denken viele Betroffene. Seit einigen Jahren gibt es verschiedene unterstützende Techniken zur Verbesserung der
Wundheilung.

Eine neuartige Technologie, die die letzten Jahre weiter optimiert wurde, stellen die Autoren in diesem Artikel vor und berichten über die klinischen Erfahrungen. Der Autor Gerhard Schröder hat das System bereits vor einigen Jahren kennengelernt und sich zusammen mit Dr. Gunnar Riepe entschieden,
die Erfahrungen zusammenzutragen. Gerhard Schröder hat Anwender und Patienten interviewt und wird darüber zusammengefasst berichten.

Dr. Riepe arbeitet als leitender Gefäßchirurg in Boppard und hat mehr als 13 Patienten mit der neuen Technik getestet, er wird diese Erfahrungen und Ergebnisse zusammenfassen

Die Entwicklung einer Idee

Das Prinzip muss man sich ganz einfach vorstellen: Man hält den Fuß in einen luftdichten Behälter und erzeugt in diesem Behälter mittels einer Pumpe
einen Unterdruck. Durch diesen Unterdruck wird die Durchblutung im Fuß angeregt (s. Abb. 1).

Die ersten Ideen, dass durch Luftdruck die periphere Durchblutung verändert werden kann, gehen auf Murray 1832 zurück [4]. In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde das Prinzip bereits bei Patienten mit peripheren Durchblutungsstörungen der unteren Extremität angewendet [1–3, 6]. Das System wurde in der NASA zur Raumfahrt eingesetzt, um die Durchblutung der Extremitäten der Astronauten zu verbessern.

Erste klinische Berichte über die Wirkung einer Unterdrucktherapie am Fuß mit einem Gerät stammen bereits aus dem Jahre 2011 [s.a. 9]. Eine norwegische Firma hat mittels einer EU Förderung ein wissenschaftliches Projekt zur Untersuchung der Unterdrucktherapie durchgeführt. Das Ergebnis dieses Projektes ist das heute eingesetzte und in Deutschland bisher kaum bekannte Produkt namens FlowOx™.

Es folgten zahlreiche Fallberichte, mehrere klinische Studien sowie internationale Vergleichsstudien. Natürlich ist diese Methode kein Ersatz für die bisherigen Therapien bei chronischen Wunden an der unteren Extremität, es ist jedoch eine Ergänzung, die mögliche Wundheilungsstörungen beseitigen kann. Ein Vorteil ist, dass der Patient die Therapie selbständig zu Hause durchführen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der Patient ein technisches Grundverständnis mitbringt und vor allem die Selbstdisziplin, das Gerät zweimal täglich anzuwenden.

Wie wirkt die Therapie?

Der äußere Unterdruck wird von den Patienten als Sogkraft wahrgenommen. Es ist anzunehmen, dass dadurch auch eine Zugkraft auf die kleinen Kapillaren in der Dermis und der Subkutis wirkt. Die Kapillaren sind die Übergangsgefäße zwischen den zuführenden Arterien und den abfließenden Venen. Sie bilden ein Netzwerk aus unzähligen kleinsten Gefäßen, die im Unterschied zu den Arterien und Venen nur aus einem einschichtigen Endothelzellschlauch bestehen, ohne umgebenden Muskelschlauch und stabilisierende Adventitia als Außenhülle. Sie geben dem Zug durch ihre Erweiterung nach, sodass vermehrt Blut einströmt.

Prinzipiell kann das Blut aus den Arterien und aus den Venen kommen. Aus den Arterien kommt rotes, sauerstoffhaltiges Blut, aus den Venen lilafarbenes, sauerstoffärmeres Blut. Zu viel Blut aus dem Venensystem würde einen Wasserrückstau bedingen und damit einen Austritt des Wassers in das Gewebe – Ödem genannt.

Klinisch wurde ein Ödem nach der FlowOx™-Therapie nicht beobachtet. Die Folgen einer massiven Zugkraft auf die Kapillaren sind sogar ein Austritt von Blut in das Gewebe. So entsteht ein verhasster lilafarbener Knutschfleck. Auch dies wurde in Boppard nie unter der Therapie beobachtet. Patienten können die Pathophysiologie am Beispiel des Knutschflecks aber in der Regel gut verstehen. Es findet demnach eine vermehrte Zufuhr von sauerstoffhaltigem
Blut aus den arteriellen Kapillaren statt. Eben dieser Sauerstoff wird als Energiequelle für den Zellstoffwechsel und die Wundheilung so dringend gebraucht.

Wie wird das Gerät angewendet?

Bei dem FlowOx Gerät, das in Boppard getestet wurde, wird der gesamte Unterschenkel in einen Plastikstiefel gesteckt (Abb. 1b). Manschetten dichten den Unterschenkel ab. An diesen Stiefel wird die Steuereinheit mit einem Schlauch angeschlossen. Die Steuereinheit erzeugt einen intermittierenden Unterduck von –40 mmHg im Stiefel.

Man kann sich das Prinzip etwa vorstellen wie eine „Saugglocke“. Die Anwendung sollte pro Tag zweimal für je eine Stunde stattfinden. Ein Behandlungszyklus dauert bei einem Patienten etwa 3 Monate.

Das Gerät besteht aus drei Teilen:

  1. Steuereinheit: dies ist der Hauptbestandteil, der mehrfach verwendbar ist. Die Steuereinheit erzeugt den für die Funktionsweise notwendigen Unterdruck. An der Steuereinheit wird das Gerät ein- und ausgeschaltet. In der Steuereinheit wird die jeweiligen Anwendungszeit und -dauer gespeichert und kann vom Therapeuten mittels USB Stick ausgelesen werden.
  2. Druckkammer (Schuh): kann bei einem Patienten mehrfach verwendet werden und ist die eigentliche Wirkeinheit am Fuß.
  3. Einmalmaterial: kann für einen Behandlungzyklus (180 Stunden) bei einem Patienten benutzt werden. Besteht aus einem Band, einer Dichtung, einer Polsterung und einer Zeitkarte.

    Der intermittierende Unterdruck von ca. –40 mmHg zieht das Blut in das Bein und die Haut. Während der Normaldruckphase (0 mmHg) kann das Blut zurückfließen. Das Gerät (Stiefel) wird vor den sitzenden Patienten gestellt. Der Patient sollte bequem sitzen. Der zu behandelnde Fuß wird in das Gerät gesteckt, bis der Fuß auf dem Positionierer aufliegt. Anschließend wird die zuvor über den Hals der Druckkammer gerollte Dichtung zurückgerollt. Sie muss um den Unterschenkel gut anliegen, damit es abdichtet. Anschließend drückt der Patient die Starttaste. Dadurch wird die Polsterung um das Bein aufgeblasen zur Dichtheit.

    Nach einer Behandlung wird die Stopptaste gedrückt, die Dichtung zurückgefaltet und das Ablassventil zur Entlüftung der Polsterung gedrückt. Anschließend kann der Patient seinen Fuß aus der Behandlungskammer herausziehen.

Wie wird das Gerät von Patienten erlebt?

Gerhard Schröder als einer der Autoren dieses Artikels hat Patienten interviewt. Nachfolgend stellt er die Erfahrungen von Herrn K. vor, da dieser sowohl Patient mit diabetisch bedingtem Fußulkus ist als auch selbst als erfahrener Chirurg arbeitet. Er hat erzählt, dass er familiär mit Diabetes mellitus vorbelastet ist. Und so wurde auch bei ihm im Jahre 2005, als er 40 Jahre alt wurde, ein Diabetes Typ II festgestellt.

Er hat seitdem Insulin spritzen müssen, jedoch fast 15 Jahre lang den Diabetes nicht ernst genommen. „Ich konnte das sehr gut ignorieren, obwohl ich selbst Arzt bin und es eigentlich alles besser wusste.“ Zudem war er beruflich viel beschäftigt und durch den Diabetes nicht wirklich eingeschränkt. Herr K sagt: „Wenn Diabetes weh tun würde, hätte ich das wahrscheinlich viel früher ernst genommen!“




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